Ideen erFahrungsbericht 2015

26 September 2015

Ideen Erfahren 2015 war ein voller Erfolg. Neben spannenden Stationen, gutem Wetter und hervorragendem Essen  hat vor allem ein großartiger Gruppenzusammenhalt alle Teilnehmenden mit einem guten Gefühl und bereichernden Eindrücken nach Hause fahren lassen. Britta (in kursiv) und Gregor, berichten von ihren Eindrücken.

Ideen Erfahren ist eine schöne Kombination aus Radtour und Bildungsreise, die dieses Jahr schon zum sechsten mal über den Verein "Ideen³" organisiert wurde. Vor der Tour wusste ich nicht viel, außer dass es durch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gehen sollte und dass man unterwegs spannenden Projekten und Personen begegnet, die etwas Nachhaltiges tun und in ihrem Alltag Zukunft gestalten.


Karte von morgen der Stationen von #Ideenerfahren15


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Montag, 3.8.15
Anreisetag: Mit dem Zug von Dresden nach Schkeuditz (Schienenersatzverkehr rund um Halle!) und dann mit dem Rad entlang des Elster-Radweges nach Halle zum Gelände des Wassersportclubs Rabeninsel e.V.

Was wird uns auf der Tour erwarten? Was ist überhaupt „Ideen erfahren“? Und wohin wird uns die Reise führen?

Die vielen neuen Gesichter, in die man am Tag der Ankunft geblickt hat, waren ebenso geprägt von Fragen wie von Neugier und Offenheit. Bei einigen Kennenlernspielen haben wir nicht nur uns sondern auch unsere Erwartungen und Sorgen kennen gelernt.

An diesem Abend saßen wir das erste Mal zusammen im Abendkreis. Eine abendliche Tradition, die sich die nächsten 10 Tage fortgesetzt hat.

 

Dienstag, 4.8.15
Besuch des in Halle. Dort gibt es verschiedene Werkstätten (Holz, Metall, Foto, 3D-Druck, Modellbau, ...), die man als Gast oder als Mitglied nutzen kann, um Sachen zu reparieren oder eigene Projekte zu verwirklichen. Außerdem ist dort auch ein Hackerspace angesiedelt, der sich mit Datensicherheit und Lockpicking beschäftigt. Anschließend Fahrt nach Leipzig.

Unser erster richtiger gemeinsamer Tag. Nach dem Frühstück sind wir zum „Eigenbaukombinat“ in Halle gefahren. In der Mitmachwerkstatt hatten wir die Möglichkeit selbst aktiv zu werden. Einige halfen Regale zu bauen und der Rest der Gruppe ließ sich vom Lockpicking-Workshop faszinieren. Angesteckt von der Technik fingen wir alle an Schlösser zu knacken (oder es zu versuchen) und nach ein paar Minuten steckten alle in einem kleinen Lockpicking-Bann.

Unser erster Tag brachte auch die erste gemeinsame Radtour mit sich. Und wir lernten die Seenlandschaft rund um Leipzig zu schätzen.

Mittwoch, 5.8.15
Wir haben den ganzen Tag in Leipzig verbracht und insgesamt drei Projekte besucht:

  •  Das Social Impact Lab: Co-working-space, Beratung und Coaching für Gruppen und Unternehmen in Gründung aus dem Bereich des social entrepreneurship, 
  •  Ökolocus: Ein verrückter Hippie, der Kompostklos hauptsächlich für Festivals verleiht

Wenn man diesem Tag einen Namen geben würde, könnte man ihn womöglich den „ultimativen Input-Tag“ taufen.

Am Vormittag haben wir uns das „Social Impact Lab“ angeschaut und uns zu Beginn einen Vortrag über das Lab angehört. Damit Begriffe wie „Social Entrepreneurship“, „Loop-Effekte“ und „Co-working space“ nicht nur inhaltsleere Vokabeln blieben, haben sich uns konkrete Projekte aus Leipzig vorgestellt, die vom Lab unterstützt werden. Manche aus der Gruppe haben sich direkt inspiriert gefühlt selbst ein Projekt auf die Beine zu stellen. Bei anderen blieb die Frage wozu es so viele englische Begriffe braucht.

Unser Besuch beim „Farbenkontor“ war dann so etwas wie das Kontrastprogramm. Dort hat sich uns eine kleine Welt aufgetan. Oder besser gesagt eine kleine Geschichte. Der Inhaber des Ladens hat uns mitgenommen auf eine Reise durch seine Vergangenheit. Wir haben etwas über seine Zeit in der DDR erfahren und vielleicht auch ein anderes Gefühl für den Teil Deutschlands bekommen, den wir die nächste Zeit bereisen wollten. Die Geschichte hat in vieler Hinsicht nachgehallt.

Eine ganz andere Persönlichkeit haben wir anschließend beim „Ökolocus“ kennen gelernt. Dort empfing uns ein Hippie wie aus dem Bilderbuch in seinem absurden Tempel aus Komposttoiletten und Massagepraxis.

 

Donnerstag, 6.8.15
Besuch der solidarischen Landwirtschaft "Rote Beete" in Sehlis östlich von Leipzig und am Nachmittag Fahrt zum Campingplatz am Mondsee südwestlich von Leipzig im Tagebaugebiet

Am Donnerstag haben wir Leipzig verlassen und uns auf den Weg zur Roten Beete gemacht. Bei der Solidarischen Landwirtschaft konnten wir selbst mit anpacken. Nach dem Strohballen schleppen haben wir Karl geholfen ein Dach zu decken. Anfangs standen viele vor dem riesigen Gerüst und sahen etwas ratlos aus. Doch wir haben die letzten Tage bei den Projekten, die wir besucht haben ja gelernt: Einfach machen. Also machten wir. Und es klappte erstaunlicherweise richtig gut. Ich denke das hat auch stark damit zu tun, dass wir uns als Gruppe schon gut eingespielt hatten. Dieses Gruppengefühl haben wir direkt in die angrenzende Radtour mitgenommen. Am Ende der Tour hat sich uns ein seltsames Bild geboten: Ein wunderschöner Sonnenuntergang vor der Kulisse eines Tagebaus. Für mich ist dieses Bild im Nachhinein besonders prägnant, weil wir am letzten Tag unserer Reise einen tieferen Einblick in den Tagebau und seine Folgen bekommen haben.

 

Freitag, 7.8.15
Vormittags Barcamp auf dem Campingplatz: Jeder der Teilnehmer konnte selbst einen Workshop anbieten, zu einer Runde Gesellschaftsspiele oder z.B. einfach zum Chillen am See aufrufen. Nachmittags Fahrt nach Bad Lausick.

Den Tag mit einen Sprung in den See starten und die nasse Haut einfach von der Sonne trocknen lassen. Wir hatten einfach ein unglaubliches Glück mit dem Wetter! Am Freitag haben wir morgens einen „Open Space“ gemacht. Es wurden viele verschiedene Workshops angeboten und jede_r konnte sich nehmen und geben worauf er/sie gerade Lust hatte. Ich habe mich der „Gemeinschaftsbildung“ angeschlossen und festgestellt, dass ein offener Blick in die Augen eines fremden Menschen manchmal kleine Welten öffnen kann. Man konnte nur in diesem Augenblick sein und war ein bisschen entrückt von all dem, was um einen herum passiert. Auch abgesehen vom Open Space gab es immer wieder die Möglichkeit sich ein Stück zu entrücken und ver-rückt einen anderen Blick auf die Dinge zu haben oder einfach mal nur bei sich zu sein.

 

Samstag, 8.8.15
Vormittags Workshop mit einer Frau vom Konzeptwerk Neue Ökonomie aus Leipzig über Postwachstumsökonomie. Nachmittags Fahrt nach Frohnsdorf zwischen Altenburg und Penig.

Nadine vom „Konzeptwerk neue Ökonomie“ hat uns den Blick für das große Ganze geöffnet. Wie hängen Ökonomie und Nachhaltigkeit zusammen und wo stehe ich in diesem System? Viel Raum für Fragen, Diskussionen und für manche auch Raum, um sich zu ruhen. Nach dem kognitiven Teil des Tages schloss sich der sportliche Teil an. Wir sind nach Frohnsdorf zu dem Hof von Alica und ihrem Vater geradelt. Ein kleines Paradies, das die Familie sich erschaffen hat. Dort haben wir den Abend am Lagerfeuer mit viel musikalischer Unterstützung ausklingen lassen.

 

Sonntag, 9.8.15
Ruhetag in Frohnsdorf. Wir waren dort für zwei Nächte zu Gast bei Alisas Familie, die in einem alten Gutshof wohnt. Der Vater von Alisa, der viel mit Lehm als Baustoff arbeitet, hat uns eine ausführliche Führung durch die Gebäude gegeben, die er in Eigenarbeit in Schuss hält.

Sonntag ist Ruhetag. Das galt auch bei uns. Einfach mal nichts machen... im Gras liegen und lesen, sich beim Volleyball verausgaben, Gitarre klimpern, … Irgendwie dann doch nicht nichts machen. Wer wollte konnte sich von Alicas Vater durch die vielen geheimen Winkel des Hofes führen lassen. Andere haben sich von dem Workshop „Inspiration Through Passion“, der von Jonas und Robin organisiert wurde, inspirieren lassen. Am Ende des Abends saßen die meisten von uns auf der Wiese und Konny hat uns Fotos gezeigt von zwei Dingen, die sein Leben prägen: die Sterne und seine Friedensradtouren.

 

Montag, 10.8.15
Vormittags Workshop in Frohnsdorf mit dem "Organisationskompass", einer Methode, um seine eigene, aktuelle Position im Leben zu bestimmen und Pläne für die Zukunft zu fassen. Ab mittags Fahrt nach Schloss Gersdorf bei Roßwein.

Was sind meine Visionen und wie kann ich im Kleinen oder Großen etwas erreichen? Wir haben den „Organisationskompass“ kennen gelernt und hatten die Möglichkeit erste Veränderungswünsche zu sortieren und eine Idee zu bekommen wie man handlungsfähig werden kann. Anschließend sind wir Richtung „Schloss Gersdorf“ geradelt. Und haben noch spontan eine neue Teilnehmerin bekommen. Alica hat sich entschieden uns einen Tag lang zu begleiten. Am Ziel angekommen hat uns erst ein wundervolles Gelände, dann eine erfrischende Gartenschlauchdusche und schließlich ein hervorragendes Essen empfangen.

 

Dienstag, 11.8.15
Fahrt nach Dresden und Nachmittags Besuch in der RM16 (Robert-Matzke-Straße 16), einem Haus, das Teil des Mietshäuser-Syndikats ist. Abends Fahrt nach Tropitz (bei Dohna), wo wir auf einem Hof unser Lager für zwei Nächte aufgeschlagen haben.

Vom kleinen beschaulichen Schloss Gersdorf ging es am Dienstag ab nach Dresden. Genauer gesagt in ein Hausprojekt - die RM16. Uns wurde bewusst wie gemeinschaftliches Wohnen auch anders funktionieren kann und mit was für verschiedenen Herausforderungen die verschiedenen Lebensgemeinschaften zu kämpfen haben. In der RM16 sind es vor allem politisch motivierte Übergriffe auf das Haus. Was alle verbindet (auch uns als Gruppe während der Radtour): Gemeinschaftlich leben heißt zusammen zu halten. Der eigentliche Grund weshalb wir nach Dresden gefahren sind war aber, dass wir etwas über die Initiative „Mietshäuser Syndikat“ erfahren wollten, zu der auch die RM16 gehört. Abends sind wir weiter Richtung Pirna zu einer Hofgemeinschaft gefahren, bei der wir die nächsten zwei Tage verbracht haben.

Mittwoch, 12.8.15
Vormittags Vortrag und Diskussion von/mit den Gründern von Kolle-Mate, einer Getränkemarke, die ihren Ursprung in Dresden hat (z.B. im U-Boot erhältlich!). Nachmittags Vortrag und Diskussion mit Maik Hosang vom Lebensgut Pommritz, der uns mitgenommen hat in eine eher theoretische Sicht auf verschiedene Lebensweisen von Menschen und Gesellschaften.

„Leben wie ein Baum, einzeln und frei, und brüderlich wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht.“

Am Mittwoch hat uns Maik Hosang in die Theorie der „Integralen Perspektiven“ eingeführt. Das Gedicht von Nâz?m Hikmet fasst einige Gedankengänge von Hosang zusammen und ließ sich für mich wieder gut auf unsere Einblicke in gemeinschaftliches Leben beziehen.

Donnerstag, 13.8.15
Der ganze Tag war dem Fahrradfahren gewidmet, da es galt, 120 km bis in die Nähe von Schleife in der Lausitz zurückzulegen. Gemütliches Tempo, zwei Stunden Mittagspause mit Eis bzw. Gasthausbesuch, Badesee, 2 Platten, 1 gerissener Bowdenzug. Ankunft Abends gegen 22:30 Uhr.

Unsere Radtour neigte sich langsam dem Ende entgegen und erste wehmütige Gefühle kamen auf. Allerdings wartete auch noch eine richtige Herausforderung auf uns: eine 100 Kilometer Radetappe. Manche von uns sind solch eine Strecke schon öfter gefahren, andere haben bei 40 Kilometer schon ihren persönlichen Rekord erreicht. Lassen sich so unterschiedliche Voraussetzungen miteinander vereinbaren, sodass am Ende des Tages alle gut am Ziel ankommen? Zusammenfassend lässt sich sagen: Es war eine Tour mit Höhen und Tiefen – von der Strecke her betrachtet wie auch emotional. Und auch hier galt: gemeinschaftlich leben/radeln heißt zusammen halten. So sind wir am Ende des Tages erschöpft aber stolz und glücklich an unserem Zielort angekommen.

 

Freitag, 14.8.15
Besuch bei "Eine Spinnerei vom nachhaltigen Leben" in Neustadt (Spree), was für mich der emotionale Höhepunkt und gelungene Abschluss der Tour war. Ich finde es total beeindruckend, wie die drei Menschen dort zusammenleben, das Grundstück urbar machen, mit wenig Geld auskommen, die Gebäude mit viel Ruhe und Handarbeit nach und nach instand setzen, sich gegen den Braunkohletagebau engagieren, usw.

Die letzte Station, die wir uns angeschaut haben war „Eine Spinnerei“. Dort haben wir Fred, Molli und Adrian kennen gelernt. Die drei leben gemeinschaftlich auf einem alten Spinnereigelände inmitten von viel Grün und inmitten von viel Wut. Sie leisten nämlich Widerstand gegen den Tagebau Nochten II. Dass sie dabei auf so viel Unverständnis auf Seiten der Bewohner, die von dem Nochten II betroffen sind und der Kommunalpolitik stoßen würden – damit hätten sie nicht gerechnet. Wir haben erfahren welche massive Auswirkungen Widerstand haben kann und welche undemokratischen Dimensionen in dem Zusammenhang ans Licht kommen. In der vorherigen Woche sind wir an einem Tagebau vorbei gefahren, der im Schein der untergehenden Sonne fast schon friedlich erschien. Dieses Bild bekam an diesem Tag eine völlig andere Wirkung. Uns alle hat die Stärke von Fred, Molli und Adrian sehr beeindruckt.

Am Nachmittag kamen wir dann wieder zu uns zurück und haben gehorcht was in uns eigentlich gerade ruft und gehört werden möchte. Dani und Matthias haben uns mitgenommen auf eine Reise durch unsere Woche. Den letzten Abend haben wir mit einem ausgiebigen Abendkreis beendet und mit dem Wunsch, dass unsere Gruppe weiter in Kontakt bleibt.

 

Samstag, 15.8.15 
Zusammenpacken, Spülen, Aufräumen und Abreise. Während die meisten von Schleife aus mit dem Zug gefahren sind, bin ich nach Hoyerswerda zurück geradelt, um den Zug nach Dresden zu nehmen.

Das ist also „Ideen erfahren“. Eine Begegnung mit vielen verschiedenen Menschen, Geschichten, der Natur, Inspirationen, Verausgabung, … Es ließen sich sicherlich noch viele andere passende Worte finden, denn jede_r hat in gewisser Weise seine/ihre eigene Tour erlebt.

Gregor fasst zusammen:
Alleine die Aufzählung der gefahrenen Strecken, besuchten Stationen und getroffenen Menschen ist schon so lang geworden, dass man einen kleinen Eindruck davon bekommt, wie vielfältig die Eindrücke auf der Tour waren. Es waren für mich viele sehr inspirierende Projekte dabei, wo Menschen unsere heutige Wirtschaftsweise in Frage stellen und anfangen, etwas Neues oder Anderes zu tun. Wir hatten super Glück mit dem Wetter und hatten 2 Wochen Super-Sommer-Sonne-Badewetter. Dementsprechend viel wurde unterwegs gebadet und Eis gegessen. Wir waren eine Gruppe von etwa 37 Menschen, die meisten Studenten. Die Gruppe hat sich sehr schnell zusammengefunden und es ergab sich eine super Gruppenatmosphäre. Alle waren total neugierig, offen für Neues und Unbekanntes und sehr tolerant und einfühlend im Umgang miteinander. Die Organisation war echt top: Alle Stationen und Übernachtungsmöglichkeiten waren organisiert, es gab Routenvorschläge und Fahrradkarten, die Verpflegung war sensationell für eine Radtour mit Zelt. Ach ja, geschlafen haben wir in 4 großen Zelten oder unter freiem Himmel.

Bilder: Robin Dirks & Gregor Gaffga